Die "kollektive Jodprophylaxe" - Zwischenbericht März 2006
Liebe Mitstreiter und an der "Jodprophylaxe" Interessierte,
es ist fast ein ganzes Jahr her, dass ich Ihnen über die Aktivitäten, denen ich mich im Auftrage der SHG (Deutsche Selbsthilfegruppe der Jodallergiker, Morbus Basedow- und Hyperthyreosekranken) seit längerer Zeit widme, das letzte Mal berichtet habe. Seitdem ergab sich das meiste direkt oder indirekt über Zwischenstationen aus unserem Rundbrief vom 20.1.2005. Mein heutiger Bericht ist deshalb zugleich eine Information über die (verhältnismäßig geringen) Resonanzen und Reaktionen auf unseren Rundbrief, der an über 160 Adressaten versandt wurde. Und, um es gleich vorwegzunehmen, einen sichtbaren Verfahrensfortschritt gibt es bisher auch noch nicht, obwohl unsere Bemühungen in alle möglichen Richtungen zielten. Gleichwohl, ich will Ihnen Bericht erstatten. Machen Sie sich selbst einen Reim darauf, und haben Sie bitte Nachsicht mit meinen "Betrachtungen" am Schluss des Berichts. Also der Reihe nach:
Der Petitionsausschuss des Bundestages: Er ist zurzeit das einzige Gremium, das zugesagt hat, aufgrund unseres Antrages vom 20.3.2005 die Jodprophylaxe einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Leider hat sich das Verfahren durch die Neuwahlen im vorigen Jahr um Monate verzögert. Im Laufe des letzten Jahres wurden dem Petitionsausschuss allerdings noch vier Ergänzungsschreiben - in der Regel mit Anlagen - vorgelegt, die geeignet sein dürften, unseren Antrag weiter zu untermauern. Auf unsere Bitte hin erhielten wir kürzlich die Stellungnahme des Verbraucherschutzministeriums zu unserem Antrag an den Petitionsausschuss. Insbesondere zu den darin enthaltenen verfassungsrechtlichen Aussagen, in die wir gleichzeitig auch die inzwischen vorliegenden Äußerungen des für den Verfassungsschutz zuständigen Bundesinnenministeriums einbeziehen konnten, haben wir uns inzwischen eingehend geäußert und die u.E. grob fehlerhafte Rechtsinterpretation der beiden Ministerien richtig gestellt. (Näheres: siehe unter "Bundesinnenministerium.)
Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL, seit 2002 für die Lebensmitteljodierung zuständig): Den Anfang der Aktivität in Richtung Verbraucherschutzministerium bildete eine sehr eingehende Kritik an den verfassungsrechtlichen und medizinischen Mängeln der deutschen "kollektiven" Jodprophylaxe in einer umfangreichen Eingabe vom 1. Oktober 2003. Dazu erhielten wir über den Sachstand drei kurze Mitteilungen vom Referat 312 (mit Sitz in Bonn), Frau Dr. Pia Noble. Die letzte Mitteilung vom 13. Sept. 2004 hatte folgenden Inhalt: "...., kann ich Ihnen mitteilen, dass die umfangreichen und detaillierten Prüfungen nahezu abgeschlossen sind. Zu einigen rechtlichen Aspekten war allerdings noch eine Nachfrage erforderlich, zu der die Antwort noch aussteht. Ich hoffe aber, dass wir Ihnen bald das Ergebnis der durchgeführten Prüfungen mitteilen können." Seitdem "Funkstille". Unsere Erinnerungen vom 25. April 2005 und 28. Dezember 2005 blieben ohne Antwort. Siehe weiter unter "Petitionsausschuss".
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: Bis 2002 zuständig auch für Jodierung von Lebensmitteln, die bereits zu Beginn der neunziger Jahre begann, damals unter Gesundheitsminister Horst Seehofer. Fachberatung wurde bis dahin vom Bundesgesundheitsamt (BGA) und nach dessen Auflösung vom Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) geleistet. Das Gesundheitsministerium erhielt, da die Zuständigkeiten zwischen ihm und dem 2002 neu gegründeten Verbraucherschutzministerium für uns noch unklar waren, ebenfalls am 1. Oktober 2003 die ausführliche kritische Eingabe zur kollektiven Jodprophylaxe. Antwort des Ministeriums vom 14.Oktober 2003: Zuständig für Fragen der Jodversorgung und der Jodierung von Lebensmitteln sei nun das Verbraucherschutzministerium. Und weiter: "Selbstverständlich befasst sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung aber weiterhin mit gesundheitlichen und medizinischen Aspekten der Ernährung und der Lebensmittel, insbesondere mit ernährungsbedingten Erkrankungen, Gesundheitsvorsorge und Prävention durch gesunde Ernährung. - Jod ist Bestandteil der von der Schilddrüse ausgeschütteten Hermone, die wichtige Funktionen ...." In diesem Zuständigkeits-Durcheiander finde sich zurecht, wer will! Inzwischen ist Herr Horst Seehofer Verbraucherschutzminister geworden, und die Jodprophylaxe hat ihn (leider) wieder.
Bundesinnenministerium als oberste Verfassungsschutzbehörde: Unser Rundschreiben vom 20.1.2005, in dem die mit der "Jodprophylaxe" verknüpfte Verletzung des Grundrechts auf "körperliche Unversehrtheit" gerügt wird, und auch ein an den damaligen Minister Schily gerichtetes "persönliches" Schreiben vom 20.7.2005 blieben beide ohne Antwort. Erst im Oktober 2005 wurde in mehreren Telefongesprächen ermittelt, dass für unser Anliegen Frau Dr. Fahland vom Dezernat 2 der Abtlg. V zuständig ist. Ihr wurden Rundbrief, eine Kopie des Briefes an Minister Schily sowie eine Kopie des Antrages an den Petitionsausschuss zugesandt, da es während eines Telefongespräches mit ihr offen blieb, ob sie die Unterlagen überhaupt verfügbar hatte. Offensichtlich konnte sie sich an die Sache nicht erinnern. Nach einem mehrfachen brieflichen Hin und Her, bei dem sich lediglich herausstellte, dass das Dezernat V 2 grundsätzlich beabsichtigte Rechtsvorschriften des Bundes intern auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen hat, also auch die Rechtsverordnungen in Sachen Lebensmitteljodierung von ihm abgenickt worden sein müssen, blieb alle Korrespondenz mit Frau Fahlamd ergebnislos. Briefe an MinDir Dr. Henkel, Abteilungsleiter V, sowie an den neuen Innenminister Schäubele, mit der Bitte, sie möchten das Dezernat V 2 zu einer sachgemäßen Prüfung unseres Anliegens anhalten, blieben ohne Antwort. Mehrere Versuche, Herrn Dr. Henkel telefonisch zu erreichen, scheiterten. Zugesagte Rückrufe blieben aus. Dafür meldete sich ein Mitarbeiter aus dem Dezernat 1, er sei von seinem Chef beauftragt worden, zu erkunden, worum es überhaupt gehe und mit wem aus seinem Haus es bereits Kontakte gegeben habe. Trotzdem, die Telefonverbindung mit Dr. Henkel kam nicht zustande, dafür nach einem telefonischen Sachstreit mit Frau Dr, Fahland ein kurzer schriftlicher Bescheid.
In diesem Bescheid sah sich Frau Fahland auf mein Drängen hin offensichtlich gezwungen, endlich mit der auf die "Jodprophylaxe" bezogenen bundesbehördlichen "Lesart" des Art. 2. Abs. 2 GG herauszurücken, mit der versucht wird, die "deutsche kollektive Jodprophylaxe" als grundrechtskonform hinzustellen. Diese "Lesart" kann in folgendem, wörtlich zitierten Satz zusammengefasst werden, der praktisch auch die Rechtsauffassung des Verbraucherschutzministeriums wiedergibt:
"Mit der Zulassung der Beifügung von jodiertem Speisesalz kommt der Staat daher seiner aus Art. 2 Abs. 2 resultierenden Pflicht nach, Leben und Gesundheit seiner Bürger zu schützen."
Diese Interpretation ist grob fehlerhaft, die korrekte wurde dem Innenministerium mitgeteilt. Vorangestellt sei hier allerdings zunächst ein kurzer Auszug aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1998 - 1 BVR 2234/97 :
"Die Grundrechte erschöpfen sich nicht in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Bereich. Sie enthalten auch eine objektive Wertordnung, aus der sich eine Pflicht der öffentlichen Gewalt ergeben kann, die Grundrechtsträger auch gegen Beeinträchtigungen der geschützten Rechtsgüter durch Dritte in Schutz zu nehmen."
Danach glaubt man beim Staat zu Unrecht, Leben und körperliche Unversehrtheit seiner Bürger etwa durch selbst inszenierte Massenmedikationen oder Ähnlichem "schützen" zu sollen, vielmehr hat er allein geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen, mit denen er Beeinträchtigungen für Leben und körperlicher Unversehrtheit seiner Bürger durch Eingriffe Dritter verhindern kann. Der Art.2 Abs.2 GG ist also keine Ermächtigung für den Staat, eigenmächtig festzulegen, wie für den Einzelnen die medizinischen Methoden zur Erhaltung seiner körperlichen Unversehrtheit auszusehen haben. Artikel 2 (2) GG ist vielmehr ein Freiheitsrecht, das dem Einzelnen zusteht. Es soll die Integrität seiner Person in deren gegebenem Zustand vor Beeinträchtigungen durch Dritte, vor allem aber auch vor staatlichen (behördlichen) Eingriffen schützen, wie es sie in unserer jüngeren Geschichte zuhauf gegeben hat. Daher soll und kann der Einzelne auch in freier Entscheidung selbst darüber befinden, ob und inwieweit er das vom Staat zum allgemeinen Schutz organisierte Gesundheitswesen in Anspruch nehmen und seine körperliche Unversehrtheit durch individuelle ärztliche Beratung, Behandlung etwaiger Erkrankungen oder durch vorbeugende Maßnahmen schützen will. Heileingriffe, zu denen auch präventive Medikationen, also auch das als harmlose "Jodversorgung" getarnte Verabreichen von Jod zur Abwendung möglicher Jodmangel-Erkrankungen zählen, sind nach dem Kommentar zum GG von Maunz/Dürig (früher und /Herzog) im Regelfall nur zulässig, wenn der Betroffene nach wahrheitsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung dazu erteilt hat (ausgenommen beispielsweise Impfungen beim Ausbruch ansteckender Seuchen). Auf eine Kurzformel gebracht: Kein medizinischer Eingriff ohne Einwilligung des Betroffenen oder gar gegen seinen Willen. Dazu der Kommentar wörtlich:
"Dabei ist gar nicht zu bezweifeln, daß durch dieses Erfordernis der Einwilligung auch Heileingriffe aus ganz unvernünftigen Gründen (übertriebene Angst ... ) unterbleiben müssen. Aber wie jedes Freiheitsrecht enthält auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit das Recht auf objektiv falsche Entscheidungen. ..."
Bundespräsident und Bundespräsidialamt: Dass hier keine konkrete Aktion, sondern, wenn überhaupt, nur eine "Anmahnung" als Hilfe in unserer Sache erwartet werden konnte, war von Anfang an bekannt. Wenn ein Bundespräsident auch nur gesprächsweise ein Thema aufgreift, wird es in der Regel in die Öffentlichkeit getragen und auch von zuständigen Stellen wahrgenommen. Immerhin, so dachten wir, ist eine Grundrechtsverletzung schlimm genug, um auch einen Bundespräsidenten zu alarmieren . Darum wurden auch ihm unser Rundschreiben vom 20.2.2005 mit einem Anschreiben und ein halbes reaktionsloses Jahr später ein nicht ganz so freundliches Erinnerungsschreiben zugesandt.. Aber auch hierauf keine Reaktion. Nach fast einem weiteren halben Jahr wurde auch hier eine telefonische Nachfrage notwendig, um überhaupt erst einmal herauszufinden, wer im Bundespräsidialamt für eine Bearbeitung unserer Eingaben, wenn es eine solche gegeben hätte, verantwortlich gewesen wäre. Es meldete sich schließlich in einem kurzen Brief voller Allgemeinplätze und abschließender "Abwimmelung" ein gewisser Herr Lackner. An sich hätte er über das, was wir ihm im Weiteren über den verächtlichen Umgang fast aller von uns angesprochenen Bundesdienststellen mit einer gesundheitsgefährdeten Selbsthilfegruppe berichtet haben, vor Scham über unsere Staatsverwaltung rot anlaufen müssen. Aber ein Beileidsschreiben für diese Behandlung ist uns bis heute nicht zugegangen.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Unseren Rundbrief hat das Familienministerium an das Gesundheitsministerium weitergeleitet, weil offensichtlich auch dem Familienministerium noch nicht bekannt war, dass seit 2002 für die "Jodprophylaxe" das Verbraucherschutzministerium zuständig ist. Die beiden letzten Sätze unserer Erwiderung an das Familienministerium vom 31.1.2003: " Während eine rechtzeitige ärztliche individuell gesteuerte Schilddrüsenunterstützung bei Jugendlichen häufig versäumt wird, gibt es insbesondere bei älteren Menschen zunehmende Schilddrüsenerkrankungen wegen zu viel Jod. Und wenn man weiter erfährt, dass wegen ihrer unterschiedlichen hormonellen Grundsituation insbesondere Frauen davon betroffen sind, ergibt sich eine Situation, in der sich auch das Ministerium für ..., Senioren, Frauen und Jugend angesprochen fühlen sollte."
Bundesministerium für Justiz: Freundliche Zurückweisung unseres Rundschreibens vom 20.1.2005 wegen Unzuständigkeit. Unsere Erwiderung (letzte Sätze) vom 16.2.2005: "Wenn wir auch keine unmittelbare Beteiligung des Justizministeriums erwarten können, so hoffen wir doch auf eine mittelbare Beteiligung in Form von "stiller" juristischer Beratung der zur selben Bundesregierung gehörenden Ministerien, denen es an verfassungsrechtlicher und strafrechtlicher Beratung offensichtlich zu fehlen scheint. ..."
Bundestagspräsident Thierse: Unser Rundschreiben vom 20.2.2005 wurde an den Petitionsausschuss weitergeleitet. Der Bundestagspräsident habe keine Möglichkeit, auf die weitere Behandlung in den Gremien Einfluss zu nehmen.
Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Unser Rundbrief vom 20.3.2005 wurde gebetsmühlenartig offensichtlich nach den Standard-Verlautbarungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) oder des BMVEL von der Vorsitzenden, Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin, mit einem kurzem Schreiben beantwortet, das im Übrigen mit keinem Wort auf unser eigentliches Vorbringen im Rundbrief mit Anlage eingegangen ist. Unsere Erwiderung war deshalb nicht besonders freundlich und blieb ohne Antwort. Dem Ausschuss steht nach der Neuwahl im vorigen Jahr nun Frau Bärbel Höhn vor, die vordem Umweltministerin in NRW war. Sie wurde am 20.2.2006 u.a. gebeten, der zuständige Fachausschuss möge sich intensiver als bisher mit dem unverständlicherweise seit Jahren ungelösten Anliegen der Selbsthilfegruppe befassen. Diese Lösung sei nur dadurch zu erreichen, dass die "kollektive" Jodprophylaxe in eine personenbezogene Einzelfallprophylaxe umgestellt werde. Zur näheren Erklärung des Problems aus unserer Sicht wurde eine Ausfertigung unseres Antrages an den Petitionsausschuss beigefügt. Wir hoffen, demnächst eine wohlwollende Antwort von Frau Bärbel Höhn (MdB) zu erhalten.
Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung: Unser Rundschreiben vom 20.1.2005 erhielt selbstverständlich auch dieser Ausschuss. Er teilte nur mit, dass dieses Schreiben an den Petitionsausschuss weitergeleitet worden sei.
Deutscher Bundesrat: Der für die Bearbeitung zuständige Herr Christian Rodenberg teilte uns bei einer sehr kurzlebigen Korrespondenz folgendes mit: "Daher werde ich Ihr Anliegen den Regierungen der Länder inhaltlich bekannt geben, damit es von dort aus im Rahmen unserer Geschäftsordnung gegebenenfalls im Wege einer Gesetzesinitiative aufgegriffen werden kann." Seitdem ist Funkstille.
Land Baden-Württemberg, Land Niedersachsen: Ministerialdirektor Fessel vom Baden-Württembergischen Sozialministerium warf uns in Bezug auf unser Rundschreiben vom 20.1.2005 Anfang Februar vor, wir "problematisierten" die "deutsche Jodprophylaxe". Und weiter schrieb er: "Entgegen Ihrer Auffassung ist die Jodprophylaxe auch nach kritischer Abwägung nach Angaben aller führenden medizinischen Fachgesellschaften ein wichtiger Baustein der Prävention. Das Sozialministerium teilt diese Auffassung." Auch hier kein Wort zur Grundrechtsfrage. Auf eine Wiedergabe unseres persönlichen Antwortschreibens an die Sozialministerin Frau Tanja Gönner muss aus Platzgründen hier verzichtet werden. Es gab ohnehin keine Resonanz. - Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit teilte am 24.2.2005 uns auf unser Rundschreiben vom 20.1.2005 mit: "..und versichere Ihnen, dass sich das Land Niedersachsen an der Diskussion über Jodanreicherung in Lebensmitteln beteiligt."
Die Bundestags-Fraktionen: Von den Fraktionen des Bundestages hat als einzige die SPD-Fraktion auf unseren Rundbrief überhaupt reagiert. Ihr Brief enthält jedoch nichts anderes als eine Wiederholung der uns allzu bekannten "Jodsalz-Verlautbarungen" des BfR, auf die sich der Brief, um Eindruck zu machen, auch ausdrücklich bezieht. Allerdings bleibt dagegen die viel risikoreichere Jodierung der Lebensmittel tierischer Herkunft durch Beimischung jodierter Mineralstoffgemische zum Tierfutter unerwähnt. So genau kann man das ja auch nicht wissen. Zur Frage der Grundrechtsverletzung wird ebenfalls mit keinem einzigen Wort Stellung bezogen. Aber immerhin, die SPD-Fraktion hat von unserem Rundbrief überhaupt Kenntnis genommen. Auf unsere Erwiderung mit dem Antrag an den Petitionsausschuss als Anlage gab es keine weitere Äußerung. - Für die anderen Fraktionen, von denen sich insbesondere die kleinen gar nicht laut genug um die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten besorgt zeigen können, gibt es offensichtlich das Problem "kollektive deutsche Jodprophylaxe" nicht. Dass sich auch CDU/CSU nicht zu dieser Sache geäußert haben, mag daran liegen, dass der eigentlich dafür verantwortliche damalige Gesundheitsminister und jetzige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer aus den Reihen der CSU kommt. "Wärst du doch im Bayernland geblieben" - aber das längst nicht allein nur wegen der "Jodprophylaxe".
SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Lauterbach: Weitere Telefonate und kurzlebige Korrespondenzen mit einzelnen MdB's und Medien müssen hier aus Platzgründen unerwähnt bleiben. Und das, was der Gesundheitsexperte der SPD zum Thema "kollektive Jodprophylaxe" zu sagen hatte, kann mit einem einzigen Wort umschrieben werden: Nichts. Aber an seinem Verhalten wird die Methode deutlich, wie so genannte "Obrigkeiten" jeglicher Art einschließlich prominente Mediziner in offiziellen Positionen mit Minderheiten von Bürgern umzugehen pflegen. Sie soll hier kurz beschrieben werden. Dr. Lauterbachs wissenschaftlicher Berater Olaf Rotthaus erhielt von ihm den Auftrag, das Schreiben einer Bürgerin aus Dr. Lauterbachs Wahlkreis zu beantworten, die sich wegen der Jodprophylaxe an ihn gewandt hatte. Das Antwortschreiben des Herrn Rotthaus besteht inhaltlich an sich nur aus zwei Sätzen: Der eine gibt eine Falschaussage des Sprechers des ominösen Arbeitskreises Jodmangel wieder, dass es keinen Beleg und auch keine epidemiologische Studie für gesundheitlich negative Effekte der Jodprophylaxe gebe, und der zweite Satz ist eine ebenso unrichtige Äußerung des BfR, die Jodprophylaxe erfülle den Anspruch auf Unversehrtheit von Leben und Gesundheit (hier wird nicht einmal der Text des Art.2 Ab.2 GG richtig zitiert). Diesen Abwimmelungsbrief, dessen Wortlaut mir auf Umwegen bekannt wurde, nahm ich zum Anlass, Herrn Prof. Dr. Lauterbach unseren Antrag an den Petitionsausschuss zuzusenden und ihn zu bitten, sich doch etwas näher mit unserem Problem zu befassen, und, soweit möglich, mitzuhelfen, die anhaltende Grundrechtsverletzung durch staatliche Instanzen endlich zu beenden. Natürlich auch nach fast 10 Wochen keine Antwort. Ich versuchte zunächst, Herrn Rotthaus fernmündlich zu erreichen. Zweimal telefonierte er angeblich gerade selbst, Rückruf wurde von der Sekretärin (?) zweimal zugesagt und natürlich nicht eingehalten. Im Augenblick ist die Telefonnummer gar nicht mehr erreichbar. Das war's.
Betrachtungen zur kollektiven deutschen Jodprophylaxe und eigene Erfahrungen im Umgang mit bundesdeutschen Institutionen: Als vor rund zehn Jahren aufgrund einer WHO-Empfehlung das Thema Jodprophylaxe anstand, soll der Deutsche Ärztetag mehrfach vom Deutschen Bundestag gefordert haben, die Verwendung von jodiertem Speisesalz gesetzlich vorzuschreiben. Die Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit wäre jedoch auf diesen Wege allzu deutlich geworden. Das Ganze musste anders angepackt und mit einem "Freiwilligkeitsprinzip" getarnt werden. Formell wurde es den Lebensmittel und Speisen herstellenden und verarbeitenden gewerblichen, gastronomischen und Pflegebetrieben freigestellt, jodiertes Speisesalz zu verwenden oder es bleiben zu lassen, und auch die Konsumenten wurden durch kein Gesetz formell gezwungen, die mit Jodsalz hergestellten Lebensmittel oder Speisen auch tatsächlich zu verzehren. Als sich aber herausstellte, dass der Konsum jodierter Nahrungsmittel unter der erhofften Zielmarke blieb, wurde durch Rechtverordnung zugelassen, dass unverpackte Lebensmittel, die ebenfalls unter Jodsalzverwendung hergestellt wurden, nicht entsprechend deklariert zu werden brauchten, was, wie gewollt, den Verbrauch jodierter, aber als solche nicht mehr erkennbarer Nahrungsmittel und Speisen wegen des Weglassens einer Verunsicherung sprunghaft erhöhte. Ein großer so gut wie unkontrollierbarer Jodierungsschub kam mit der ebenfalls durch Rechtssetzung zugelassenen Möglichkeit hinzu, auch dem Tierfutter jodhaltige Mineralstoffmischungen zuzusetzen und dadurch alle Lebensmitttel tierischer Herkunft (Fleischwaren, Milch und Milchprodukte, Eier usw.) in ungewisser Höhe undeklariert "vorzujodieren". Jod wurde dabei um ein Vielfaches des vermuteten Tierbedarfs überschritten. Und nicht zuletzt wurde in Deutschland als Ersatz für die fehlende gesetzliche Festlegung einer Speisesalzjodierung ein riesiger Werbefeldzug organisiert, dessen Inszenierung zur Tarnung vorwiegend außerstaatlichen Institutionen überlassen wurde. Ein Arbeitskreis Jodmangel wurde gegründet, dem Endokrinologen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie angehören, außerdem Ernährungswissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und auch Prof. Dr. Rolf Großklaus, ein wichtiger Mann aus dem Bundesinstitut für Risikobewertung, das dem Verbraucherschutzministerium zugeordnet ist. Pharmakonzerne, Salzhersteller und andere Firmen sponsern den Arbeitskreis Jodmangel, und eine größere Zahl weiterer nichtstaatlicher oder halbstaatlicher Institutionen, z.B. Schilddrüsenforen, Interessengrupppen, Aufklärungszentren usw. usw. schlossen sich der Jodfront an. Man erreichte außerdem die Aktionszustimmung von Verbänden, Innungen und, kaum zu glauben, selbst von Krankenkassen. Gekennzeichnet sind die anhaltenden intensiven Werbekampagnen durch breit gestreute Verharmlosungen und Halbwahrheiten, durch manchmal "dicke" Unglaubwürdigkeiten und durch fast schon sträflicbe Außerachtlassung medizinischer Grundregeln, zum Beispiel etwa der, dass die individuellen Veranlagungen und Lebensweisen des einzelnen Betroffenen, dessen körperliche Konstitution und die bisherige Krankheitsgeschichte schon beim Dosieren und Verabreichen von Arzneimitteln auch zum Zwecke der Prävention auf keinen Fall außer Acht gelassen werden dürfen. Und was sollen zum Beispiel die Behauptungen, es sei ausgeschlossen, dass die angeblich zu geringe Lebensmitteljodierung bei irgendwem eine Schilddrüsen- oder Folgekrankheit auslösen oder verschlimmern könne. Dazu sei alleine eine höhere einmalige Jodgabe etwa durch Kontrastmittel oder Algenprodukte in der Lage. Oder die Unglaubwürdigkeit, durch die Lebensmitteljodierung könnten zwar viele Jodmangelerkankungen verhindert werden, für Menschen im Grenzbereich zwischen Schilddrüsen-Normalfunktion und Überfunktion könne die täglich sich wiederholende Jodzuführung über die Lebensmittel dagegen nichts, vor allem nichts Negatives bewirken. Solche Märchen sind inzwischen, sicherlich ungewollt und unbeabsichtigt, sogar von jodierungsfreundlichen Endokrinologen auf Ihrer Tagung der Sektion "Angewandte Endokrinologie" 2001 in Honnover widerlegt worden. Die Endokrinologen nämlich kamen dort nach einer Analyse der epidemiologischen Auswirkungen der letzten gesetzlichen Jodierungsintensivierung in Österreich zu folgendem Ergebnis: "Jede Intensivierung einer Jodsalzprophylaxe bedarf einer Aufklärung der Ärzteschaft, dass es über einige Jahre zu einer Zunahme der Hyperthyreosen kommt und die Zahl der Immunthyreoiditiden (immunologisch bedingte Schilddrüsenentzündungen) und damit der Hypothyreosen (Unterfunktion) ansteigt. ... ". Und kein Jodierungsverfechter hat dieses Tagungsergebnis bisher auch nur erwähnt. Trotzdem müssen wir leider feststellen, dass der Erfolg der überaus aufwendigen Werbekampagnen so groß nicht hätte ausfallen dürfen, weil dadurch ein zu hoher Prozentsatz der einschlägigen Betriebe, die sich höhere Umsätze durch ein Werbung mit Jod versprechen, und das noch immer auf "weiße Kittel" gerichtete Vertrauen vieler Konsumenten eine beachtliche Zunahme in der Produktion jodierter Nahrungsmittel bewirkten, die gleichzeitig jedoch mit einem rapiden Rückgang im Angebot jodzusatzfreier Nahrungsmittel verbunden war. Das führte strategiegemäß dazu, dass die Menschen nicht erst durch ein Gesetz gezwungen werden mussten, jodierte Lebensmittel zu konsumieren, sondern dieses Zwangsergebnis praktisch schon durch das von den Jodierungsverfechtern herbeipropagierte Fehlen eines ausreichenden Angebots jodzusatzfreier Lebensmittel erreicht wurde. Und diejenige Bevölkerungsminderheit, die für sich Gesundheitsschäden aus der Lebensmitteljodierung hinnehmen muss und deshalb eine Umstellung der kollektiven Jodprophylaxe auf eine personenbezogene individuelle Einzelfallprophylaxe sowie eine für sie endlich ausreichende ortsnahe Versorgung mit jodzusatzfreien Nahrungsmitteln einfordert, geriet nun schnell ins Abseits und wurde sehr bald als fundamental oppositionell eingestuft. Weitere Bösartigkeiten, die man auch noch für sie bereit hält, lassen wir besser unerwähnt. - Indes, es erscheint mir die Vorstellung unwahrscheinlich, eigentlich sogar ausgeschlossen, dass die tatsächlichen medizinischen Auswirkungen und die verfassungsrechtlichen Ungereimtheiten der kollektiven deutschen Jodprophylaxe deren Veranstaltern in den Ministerien, im Arbeitskreis Jodmangel usw. usw. von Anfang nicht bekannt gewesen sein könnten. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde und wird immer nur von den Segnungen der Jodprophylaxe für Jodmangel-Leidende gesprochen, und die andere Hälfte der Wirklichkeit, nämlich die nicht geringe Zahl an Kollateralschäden unter den jodsensiblen Bürgern wurde und wird immer noch geleugnet. Inzwischen ist der wahre Hintergrund doch nicht mehr so ganz zu verschleiern, deshalb ziehen sich die Jodierungsanhänger immer häufiger auf eine Position der Unansprechbarkeit zurück. Die Verfechter einer personenbezogenen Jodprophylaxe, bei der jeder das bekommt, was er nötig hat, und davon verschont wird, was ihn krank macht, laufen bei Politikern, Ministern und Ministerialbeamten und der ganzen medizinischen Jodfront immer wieder ins Leere. Briefe werden nicht beantwortet, sondern landen wahrscheinlich oft im Papierkorb. Und werden sie nach mehreren telefonischen Rückfragen doch noch beantwortet, wird wegen des langen Schweigens zunächst ein "bürotechnisches Versehen" vorgeschoben, was mir selbst schon dreimal passiert ist. Im Übrigen sind es regelmäßig kurze, standardisierte, quasi in BfR-Verlautbarungen vorgegebene Abwimmelungsschreiben. Auf die in den Eingaben angesprochenen Aspekte geht keiner ein, vielmehr weicht man ihnen offensichtlich gezielt aus. Bloß keine "schlafenden Hunde" in Form von Rechtsverfahren und möglichen Schadensersatzforderungen wecken! Eine wirkliche Problemlösung ist nicht in Sicht. Alle Vorschläge oder Anregungen werden gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Inzwischen ist immer deutlicher geworden: Die kollektive deutsche Jodprophylaxe ist, um im Vokabular des Ministers Seehofer zu bleiben, sowohl in medizinischer als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht eine einzige "Mogelpackung".
Viele Grüße aus Rastede
Ihr Konrad Ullrich