BRD, den 20. Januar 2005
SHG der Jodallergiker, Morbus Basedow-
und Hyperthyreosekranken
An die
Damen und Herren aus Regierung, Politik, Medizin und Ernährungswissenschaft, die nach unserer Kenntnis für die deutsche "Jodprophylaxe" Mitverantwortung tragen (siehe Verzeichnis, Anlage 1)
Betrifft: Die deutsche "Jodprophylaxe" = Eine Grundrechtsverletzung!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Selbsthilfegruppe oder einzelne ihrer Mitstreiter haben wiederholt darauf hingewiesen, dass im Rechtsstaat Deutschland seit mehr als zehn Jahren das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt wird und in Verbindung damit strafbare Handlungen begangen werden, ohne dass es bisher auch nur den Versuch einer Widerlegung der von uns rechtlich eingehend begründeten Vorwürfe gegeben hat. Allen in Deutschland lebenden Menschen werden - ob sie es wollen oder nicht, ob sie davon wissen oder nicht, ob die Gesundheit Einzelner geschädigt wird oder nicht - industriell hergestellte oder womöglich aus Industrie- und Krankenhausabfällen recycelte Jodzusätze eingeflößt, die lebensnotwendigen Nahrungsmitteln und Speisen beigemischt sind. Die Verantwortung dafür tragen das Bundesgesundheitsministerium (früher Horst Seehofer, heute Ulla Schmidt) und nun auch das Verbraucherschutzministerium (Renate Künast), aber auch der Bundesrat, Bundesinstitute sowie sonstige Institutionen. Selbstverständlich haben auch profit-orientierte Konzerne und Firmen wie Sanofi, Merck, Südsalz und andere über finanzielles Sponsoring erheblich zur flächendeckenden Ausweitung der so genannten Jodprophylaxe beigetragen.
Von den vielen bisher angeschriebenen Adressaten hat bisher nur das Referat 312 des Verbraucherschutzministeriums zwar sehr spät, aber halbwegs angemessen reagiert. Nach einer ausführlich begründeten Eingabe erreichte uns Ende Mai 2004 folgender Bescheid: "Ich teile Ihnen mit, dass die in Ihrem Schreiben dargestellten Bedenken gegen die Verwendung von jodiertem Speisesalz in Lebensmitteln zur Bekämpfung des Jodmangels sehr ernst genommen werden. Zu Ihren umfangreichen Ausführungen wurde eine detaillierte Prüfung unter Einbeziehung des Bundesinstitutes für Risikobewertung eingeleitet. ..." Inzwischen hat dieses Bundesinstitut eine "aktualisierte Stellungnahme" vorgelegt. Sie ist im Internet unter http://www.bgvv.de/cd/945 zu finden. Schlüssige Konsequenzen daraus erfahren Sie in den diesem Schreiben beigefügten "Anmerkungen" (Anlage 2).
Wir fragen uns, wie lange Sie es noch hinnehmen wollen, dass ausgerechnet das Grundrecht des Art. 2 (2) GG, das die persönliche Integrität des Einzelnen vor nicht gewollten ärztlichen Heileingriffen und vor präventiven Massenmedikationen der oben beschriebenen Sorte schützen soll, in geradezu juristischer Perversion auf den Kopf gestellt und nun sogar als offizieller Rechtfertigungsgrund für eine solche verfassungswidrige Massenmedikation missbraucht wird? Die aktualisierte Stellungnahme des BfR enthält zum Grundrechtsproblem nur den einzigen Satz: "In Anbetracht des hohen Risikos, in Deutschland an einem Jodmangel zu erkranken, erfüllt die Förderung der Nachhaltigkeit der Jodprophylaxe vielmehr den Anspruch auf Unversehrtheit von Leben und Gesundheit." Allein dieser Satz weist nach, dass sogar ein Bundesinstitut meint, die Bedeutung der Grundrechte, Freiheitsrechte des einzelnen Staatsbürgers zu sein, nicht beachten zu brauchen.
Es nützt wenig, dass im Bundestag oder in den Medien maßgebliche Politiker und bekannte Kommentatoren immer wieder fordern, die Grund- und Menschenrechte müssten weltweit strenger eingehalten und Minderheiten besser geschützt werden, wenn schon im eigenen Land über die zwar mit dem Tarn-Anstrich einer vorgetäuschten Freiwilligkeit versehene, dennoch eindeutige Grundrechtsverletzung namens "Jodprophylaxe" hinweggesehen wird, obwohl eine beachtliche Verbraucherminderheit unter dieser rechtswidrigen Massenmedikation erheblich zu leiden hat. Diese Minderheit benötigt keine medienwirksamen Allgemeinplätze, sondern konkrete parlamentarische und publizistische Unterstützung zur Sicherung ihrer Integrität vor ungewollten pharmakologischen Präventiv-Eingriffen!
Genau diese Unterstützung erwarten wir von Ihnen. Wir wollen noch immer nicht glauben, dass bei uns staatliche Stellen mit Straftaten verknüpfte Grundrechtsverletzungen begehen dürfen, und alle schauen weg.
( A N L A G E 1 )
A D R E S S A T E N V E R Z E I C H N I S
Von der Bundesregierung:
Bundeskanzler Gerhard Schröder
Otto Schily, Bundesminister des Innern
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz
Renate Schmidt, Bundesmisterin für Familie, Senioren, Frauen u, Jugend
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherheit
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtshaft
Dr. Pia Noble im Referat 312 des Bundesministeriums für Verbraucherschutz usw.
Vom Deutschen Bundestag
Bundestagspräsident Dieter Thierse; Präsidiumsmitglieder: Dr. Susanne Kastner; Dr. Norbert Lammert; Dr.Antje Vollmer; Dr. Hermann Otto Solms
Von der SPD-Fraktion
Franz Müntefering, Erster Vorsitzender
Stellvertretende Vorsitzende: Nicolette Kressl; Michael Müller (Düsseldorf); Gudrun Schaich-Walch;
Parlamentarische Geschäftsführer: Wilhelm Schmidt (Salzgitter); Petra Ernstberger; Dr. Uwe Küster; Ute Kumpf; Hermann Bachmaier, Justitiar;
Sprecher(innen) der sachbehzogenen Arbeitsgruppen (Ausschüsse): Christel Humme; Erika Lotz; Waltraud Wolff; Rudolf Bindig; Dr.Wolfgang Vodarg;
Von der CDU/CSU - Fraktion
Dr. Angela Merkel, Erste Vorsitzende; Michael Glos, Erster Stellvertretender Vorsitzender
Stellvertretende Vorsitzende: Wolfgang Bosbach; WolfganG Zöller; Prof.Dr. Maria Böhmer; Gerda Hasselfeldt; Arnold Vaatz; Parlamentarische Geschäftsführer: Volker Kauder; Dr. Peter Ramsauer; Peter Altmaier, Justitiar; Horst Seehofer, ehemaliger Gesundheitsminister;
Von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Fraktionsvorsitzede: Katrin Göring-Eckardt; Krista Saager; Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer;
Dr. Reinhard Loske, Arbeitskreis II; Hans-Christian Ströbele, AK III; Winfried Nachtwei, AK IV;
Arnd Grewer, AK-Koordinator des Arbeitskreises II
Von der FDP-FRaktion
Dr. Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender; Stellvertr.Vors.: Rainer Brüderle, AK II; Dr. Werner Hoyer, AK I;
Dr. Heinrich Kolb für AK III; Dr. Ole Diehl, Referent des AK I (Menschenrechte);
Jörg von Essen, Parlamentar. Geschäftsführer; Siegrid Giersch, Referentin des AK II (Verbrucherschutz)
Guido Westerwelle, Parteivorsitzender; Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige Bundesjustizministerin;
Bundestags-Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Dr. Herta Däubler-Gmelin, Ausschuss-Vorsitzende; Ulrike Höfken, Stellvertr.Vorsitzende; Mitglieder: Sören Bartol; Martin Dörmann; Elvira Drobinski-Weiß; Reinhod Hemker; Gustav Herzog; Gabriele Hiller-Ohm; Holger Ortel; Dr. Wilhelm Priesmeier; Reinhard Schultz (Everswinkel); Jella Teuchner; Waltraud Wolff (Wolmirstedt); Manfred Helmut Zöllmer; Artur Auernhammer; Peter Bleser; Peter-Harry Carstensen (Nordstrand); Gitta Connemann; Helmut Heiderich; Ursula Heinen; Uda Heller; Dr. Dieter Peter Jahr; Julia Klöckner; Marlene Mortler; Bernhard August Schulte-Drüggelte; Kurt Segner; Cornelia Behm; Friedrich Ostendorf; Hans-Michael Goldmann; Dr. Christel Happaach-Kasan;
Vom Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Klaus Kirschner, Ausschussvorsitzender; Wolfgang Zöller, Stellvertr. Vorsitzender;
Vom Bundesrat
MinPräs. Matthias Platzeck, Präsident des Bundesrates; MinPräs. Dieter Althaus, Erster Vicepräsident; Reg.Bügerm. Klaus Wowereit, Zweiter Vicepräsident; MinPräs. Kurt Beck, Dritter Vicepräsident; Dirk Brouér, Direktor des Bundesrates; MinDir Gerd Schmitt, Stellvertr. Direktor des Bundesrates; MinRätin Schmidt, Ausschusssekretätin des Gesundheitsausschusses;
Der Bundesrats-Gesundheitsausschuss (auch zuständig für Verbraucherschutz):
Minister Josef Hecken, Ausschuss-Vorsitzender; Senatorin Karin Röpke, Stellvertr.Ausschuss-Vorsitzende;
Mitglieder: Sozialministerin Tanja Gönner; Staatsminister Dr.Thomas Goppel; Staatsminister Dr.Werner Schnappauf; Staatsministerin Christa Stewens; Senatorin Dr,Heidi Knake-Werner; Ministerin Dagmar Ziegler; Senator Jörg Dräger, Ph.D.; Ministerin Silke Lautenschläger; Ministerin Dr.Marianne Linke; Ministerin Dr. Ursula von der Leyen; Ministerin Birgit Fischer; Ministerin Malu Dreyer; Staatsministerin Helma Orosz; Minister Gerry Kley; Ministerin Dr.Gitta Trauernicht; Minister Dr.Klaus Zeh;
Weitere Adressaten
Bundesinstitut für Risikobewertung: Präs. Prof.Dr.Dr. Andreas Hensel; Leiter Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin Prof. Dr. Rolf Großklaus; Arbeitskreis Jodmangel: (Sprecher Prof.Dr.Dr.h.c. Peter Scriba; Leiter dr Organisationsstelle Alfred Fischer); Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Frau Direktorin Dr. Elisabeth Pott; Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Geschäftsführer K-H. Sölter und Dr. H.J. Oberritter; Bundesärztekammer: Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Chrisoph Fuchs; Forum Schilddrüse; Staatsanwaltschaft Berlin; Generalstaatsanwaltschaft Berlin; Senatsverwaltung Berlin: Bürgermeisterin und Justizsenatorin Karin Schubert.
Zur Kenntnis per Post
Bundespräsident Horst Köhler; Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat
Zur Kenntnis per E-Mail oder per Post
TV-Gesundheits- und allgemeine Magazine; überregiopnale Zeitungen, Zeitschriften und Magazine; von den Unterzeichnern unmittelbar ausgewählte Adressaten;
(Anlage 2)
A N M E R K U N G E N
zur aktualisierten Stellungnahme des BfR vom 1. Juni 2004
"Nutzen und Risiken der Jodprophylaxe in Deutschland"
Vorbemerkung: Die 14-seitige Stellungnahme soll offensichtlich mit ihren in der Regel nur punktuelle Details stützenden 132 Referenzen insbesondere bei Laien den Eindruck erwecken, die Jodprophylaxe à la BfR sei wissenschaftlich unumstößlich abgesichert und in jeder Hinsicht gerechtfertigt. In Wirklichkeit trägt die aktualisierte Stellungnahme im Grunde nur zu einer offensichtlich gewollten "Vernebelung" des Problems bei. Sie versucht einerseits zu verbergen, dass Abwägungen zur grund- und strafrechtlichen Seite der Jodprophylaxe bisher überhaupt nicht vorgenommen wurden und deshalb, abgesehen von einigen nachgeschobenen Allgemeinplätzen, ernsthafte Aussagen hierzu gänzlich fehlen. Andererseits soll mit ihr offensichtlich überspielt werden, dass selbst in medizinischer Hinsicht der deutschen Jodprophylaxe erhebliche analytische Unsicherheiten und unakzeptable Mängel anzulasten sind. Daraus ergibt sich für die nachstehenden komprimierten Darlegungen folgende Gliederung:
A) Die Zielsetzung der Jodprophylaxe
B) Der Durchführungsmodus
a) unter medizinischen Aspekten
b) unter juristischen Aspekten
C) Resümee
Dass Schilddrüsenerkrankungen nicht nur medizinisch behandelt werden müssen, sondern der Staat auch prophylaktische Möglichkeiten bereithalten sollte - soweit es sie gibt -, um das Auftreten von Schilddrüsenerkrankungen bereits vorbeugend zu verhindern, darüber gibt es im Grunde keine Meinungsverschiedenheit. Allerdings ist hier bereits anzumerken, dass die verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen, die man grob entweder zu Jodmangel- oder zu Überfunktions-Erkrankungen bündeln kann, die unterschiedlichsten Ursachen haben (oft in Kombination miteinander) und deshalb medizinisch jede Krankheitsart eine spezifische unmittelbare oder prophylaktischer Behandlung erfordert.
a) unter medizinischen Aspekten
Umstritten ist noch immer die Art und Weise, wie bei dieser Ausgangssituation einer ganzen Palette verschieden häufig auftretender Schilddrüsenkrankheiten eine Jodprophylaxe einerseits im Jodmangelbereich und andererseits im Bereich der Schilddrüsenüberfunktion medizinisch sinnvoll gestaltet werden kann. Es bedarf keines Medizinstudiums, um mit Sicherheit davon auszugehen, dass es nicht erfolgreich sein kann und mit vielen Risiken belastet ist, wenn versucht wird, einerseits den Unterfunktionserkrankungen und andererseits konträr dazu den Überfunktionskrankheiten mit gleichen prophylaktischen Mitteln und Methoden zu Leibe zu rücken. Hinzu kommt dann noch die Schwierigkeit, dass sowohl im hypo- als auch im hyperthyreotischen Bereich es ohnehin verschiedene Krankheitsarten gibt, die eine weitere Spezifizierung in der akuten oder prophylaktischen Therapie erfordern. Darüber hinaus muss auch noch auf die Fälle von Jodüberempfindlichkeit Rücksicht genommen werden.
Dennoch, die Anhänger der heute in Deutschland praktizierten Jodprophylaxe sehen in einer einheitlichen Zuführung von künstlichen Jodzusätzen über die Jodierung von Nahrungsmitteln die für die ganze deutsche Bevölkerung richtige Form einer generellen Jodprophylaxe. Dagegen fordern insbesondere die an den Krankheitsfolgen einer Überfunktion der Schilddrüse Leidenden für den Einzelnen eine an ärztlicher Indikation ausgerichtete spezielle Jodprophylaxe und Jod-Behandlung, weil die Therapie-Voraussetzungen des Einzelnen oft in der Person liegende Besonderheiten aufweisen. Eine individuelle Spezifizierung sei nicht nötig, sagen die Anhänger der gegenwärtig in Deutschland praktizierten Jodprophylaxe, denn die Beimischungen von Jod zum Speisesalz und zum Tierfutter seien in ihrer Summe immer noch so niedrig, dass sie weder Thyreotoxikosen auslösen noch bei Schilddrüsenkranken zur Verschlimmerung ihres Leidens beitragen könnten. Die aktualisierte Stellungnahme des BfR wiederholt an mehreren Stellen solche fast schon stereotypen Behauptungen. Schon nach allgemeiner Lebenserfahrung kann es jedoch ausgeschlossen werden, dass zwar einerseits die Jodzuführung über die Nahrungsmittel die unter Jodmangel Leidenden aus einer Unterfunktion zu einer normalen Hormonproduktion bringen und dadurch Jodmangelkrankheiten verhindern kann, dass aber andererseits dieselben täglichen Jodzuführungen über die Nahrungskette am anderen Ende der Problemleiter, und zwar im Grenzbereich zwischen Normalfunktion und Überfunktion, in dem besonders jodempfindliche Menschen "angesiedelt" sind, angeblich gar nichts bewirken.
Wenn man diejenigen Unsicherheiten in der jeweiligen Krankheitsanalyse und jene Komplexität der Ursachen aus Umweltfaktoren, persönlichem Verhalten sowie aus individueller Veranlagung zusammenfasst, die allein in der aktualisierten Stellungnahme des BfR genannt sind, dann ergibt sich schon daraus als erste zwingende Schlussfolgerung, dass die stereotype Behauptung, die Jodgaben durch die Lebensmitteljodierung könnten in keinem Falle weder eine Überfunktionskrankheit auslösen noch eine bestehende verschlimmern oder verlängern, leichtfertig, irreführend und letzten Endes verantwortungslos ist. Im Text der aktualisierten Stellungnahme sind folgende Unsicherheiten u.a. in den Krankheitsanalysen, personenbezogene Eigenheiten und Umwelt-Faktoren genannt, die Schilddrüsenkrankheiten entstehen lassen oder beeinflussen können (wörtliche Wiedergabe ohne Anführungszeichen):
1.) ... Dazu gehören Alter, Umweltbelastungen sowie ein hoher Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln,... ; 2.) Die in Deutschland, in Österreich und der Schweiz empfohlene tägliche Jodzufuhr (unterschiedliche Werte) bezieht sich auf gesunde Personen (und die Kranken?); 3.)...der Effekt abnehmender Jodgehalte in Böden und Trinkwasser mit zunehmender Entfernung vom Meer und deren Auswirkungen auf die Jodaufnahme von Mensch und Tier; 4.) Nach neueren Erkenntnissen hängt die Entstehung eines Kropfes (Schilddrüsenvergrößerungen) von komplexen Interaktionen zwischen genetischen, endogenen (z.B. hormonbedingten) sowie Ernährungs- und Umweltfaktoren ab; 5.)...dass bestimmte, in der Natur und den Nahrungsmitteln vorkommende Substanzen wie Nitrat und bestimmte Umweltkontaminanten die Entstehung eines Kropfes fördern; 6.) Giotrogene führen über verschiedene Wirkungsmechanismen zu einer Abnahme der Jodreserve und damit zu einer Erhöhung des Jodbedarfs; 7.)...dass die strumigene Potenz von Nitrat nur individuelle, aber keine epidemiologische Bedeutung hat; 8.)...warum beispielsweise Raucher oder auch Personen mit einer genetischen Disposition aus "Kropffamilien" ein höheres Kropfrisiko als andere haben; 9.) Bei der Berechnung der Jodzufuhr ist somit nicht nur der Jodgehalt des einzelnen Lebensmittels zu berücksichtigen, sondern vor allem die verzehrte Lebensmittelmenge und die Palette der verzehrten Lebensmittel; 10.) Der Verbraucher kann nicht exakt ermitteln, welchen Jodgehalt seine Speisen haben; 11.) Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der Jodzufuhr über die Nahrung im Vergleich zu anderen Nährstoffen aus methodischen Gründen (große Schwankungsbreite im Jodgehalt der Lebensmittel, Zubereitungsverluste) wenig zuverlässig ist; 12.) Selten und in ihrer Inzidenz nicht zu beziffern sind Überempfindlichkeitsreaktionen, die in ihrer Manifestation jedoch ebenfalls dosisabhängig sind; 13.) Eine jodinduzierte Hyperthyreose kann vor allem bei älteren Probanden (>40 Jahre) ausgelöst werden, wenn es nach Einführung der Jodprophylaxe in einem relativ kurzem Zeitraum von 1 - 2 Jahren zu einem raschen Überschreiten des Median der Jodausscheidung im Urin von 200 µg/L kommt; 14.) Man muss in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium der Autonomie und von der Joddosis mit Hyperthyreosen rechnen. 15.) Morbus Basedow: Bisher noch nicht im Einzelnen geklärte Autoimmunprozesse führen dazu, dass die Schilddrüse unkontrolliert große Mengen an Schilddrüsenhormonen produziert. Die Inzidenz des Morbus Basedow scheint von der alimentären Jodversorgung beeinflusst zu werden. Der hier zugrunde liegende Mechanismus ist unklar, möglicherweise ... ." 16.) Morbus Hashimoto: Entscheidend für die Entstehung einer Autoimmunthyreoiditis ist aber die genetische Disposition, wobei Umwelt- und Ernährungsfaktoren eine zusätzliche Rolle spielen; Selenmangel begünstigt das Auftreten von AIT; ...so dass auch bei dieser niedrigen Dosierung zusätzlich zur üblichen Jodaufnahne aus der Nahrung nicht ausgeschlossen werden kann, dass Jodgaben den natürlichen Verlauf dieser Autoimmunerkrankung in Richtung Hypothyreose progressiv beeinflussen."
Zieht man allein diese Unsicherheiten in der jeweiligen Krankheitsanalyse und die Komplexität der Umweltfaktoren und jene aus persönlichem Verhalten und individueller Veranlagung in Betracht, dann ist die in Deutschland zurzeit praktizierte Jodprophylaxe, deren Pauschal-Festlegungen verhindern, auf die spezifischen Belange des Einzelnen gezielte prophylaktische Antworten zu geben, schon unter medizinischen Aspekten nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ergibt sich hieraus als zweite zwingende Schlussfolgerung, dass aus medizinischen Gründen nur eine personenbezogene, indikations-gesteuerte Jodprophylaxe für Deutschland in Frage kommen kann. Die heute praktizierte Jodprophylaxe kann nur als hochgradig unqualifizierte medizinische Maßnahme angesehen werden; denn sie führt zwangsläufig zu einer nicht vorhersehbaren Zahl von sonst nicht eintretenden Gesundheitsschädigungen, wie man sie in Österreich und der Schweiz epidemiologisch ermittelt hat und die die deutsche Sektion "Angewandte Endokrinologie" auf ihrer Tagung 2001 in Hannover zur Forderung veranlassten: "Jede Intensivierung einer Jodsalzprophylaxe bedarf einer Aufklärung der Ärzteschaft, dass es über einige Jahre zu einer Z u n a h m e der Hyperthyreosen kommt und die Zahl der Immunthyreoiditiden (immunologisch bedingte Schilddrüsenentzündungen) und damit der Hypothyreosen (Unterfunktion) a n s t e i g t. ... " (Es ist kennzeichnend für das BfR, dass es diese Tatsachenfeststellung deutscher Endokrinologen nicht erwähnt, dafür aber die Schilddrüsensituation in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern.)
b) unter juristischen Aspekten
Schon gar nicht ist die deutsche Jodprophylaxe aus juristischen Gründen zu rechtfertigen. Als völlig abwegig muss man die kurze Einlassung des BfR zur Grundrechtsfrage bezeichnen: "In Anbetracht des hohen Risikos, in Deutschland an einem Jodmangel zu erkranken, erfüllt die Jodprophylaxe vielmehr den Anspruch auf Unversehrtheit von Leben und Gesundheit." Getarnt wird diese Aussage des BfR auch weiterhin mit einer angeblich bestehenden Freiwilligkeit der Konsumenten von Lebensmitteln und Speisen. Sie könnten ja jodzusatzfreie Waren wählen. Allerdings müsse der Konsument gezielt nachfragen. Und was, wenn er, sofern überhaupt eine, so gut wie regelmäßig die Antwort erhält: "Selbstverständlich Jodsalz". Soll oder muss er, um zum Beispiel nur jodzusatzfreies Brot zu erwerben, etwa eine kleine "Weltreise" unternehmen. Wer Jod meiden muss, ist häufig älter und krank und hat ohnehin Schwierigkeiten, mit seinem Alltag fertig zu werden. Und was ist mit den vorjodierten Grundnahrungsmitteln tierische Herkunft? Ihnen kann überhaupt niemand mehr ausweichen. Eine vorgetäuschte Freiwilligkeit dieser Art reicht nicht, es muss eine Einwilligung auf der Grundlage wahrheitsgemäßer Aufklärung sein. Das sollte an sich zum Grundwissen jedes Mediziners gehören. Dem BfR kann nur dringend empfohlen werden, alle seine Beratungsempfehlungen und Stellungnahmen künftig nur noch herauszugeben, wenn sie vorher von einem Verfassungs- und einem Strafrechtler geprüft sind. Die wirkliche Rechtslage ist eine andere als die oben vom BfR zum Ausdruck gebrachte. Offenbar haben das BfR, leider auch die beteiligten Ministerien und wahrscheinlich auch die Bundesratsverwaltung dieser Frage bisher nicht die notwendige Aufmerksamkeit und Sorgfalt geschenkt, was natürlich jetzt ihre unerlässliche Umkehr erheblich erschwert.
Die ganze deutsche Bevölkerung ist gegenwärtig in Auswirkung der "Jodprophylaxe" folgender Situation ausgesetzt: Ungefragt und deshalb auch ohne ausdrückliche Einwilligung und vielfach auch ohne Kenntnis davon erhalten die Verbraucher in Läden aller Art, in Restaurants, Kantinen, Krankenhäusern und Altersheimen fast nur noch Lebensmittel und Speisen mit "künstlichen" Jodzusätzen. Eine Vorjodierung der Grundnahrungsmittel tierischer Herkunft durch jodangereichertes Tierfutter sowie eine weitgehende Jodsalzverwendung bei der Produktion und Zubereitung von Nahrungsmitteln und Speisen summieren sich mit oft mehreren anderen unerkannten Jodquellen zu im Einzelfall nicht mehr kalkulierbarer und schon gar nicht mehr kontrollierbarer Höhe. Unerkannt bleiben häufig zum Beispiel die völlig unterschiedlichen "natürlichen" Jodgehalte in den einzelnen Nahrungsmitteln, aber auch Jodzuführungen über jodhaltige Medikamente oder die von Ärzten bei Untersuchungen verwendeten stark jodhaltigen Kontrastmittel sowie die Rückstände aus jodhaltigen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, die in Ställen, Milchkammern, öffentlichen Bädern etc. verwendet werden, und schließlich auch jene zusätzlichen Jodanteile, die über den futter-jodierten Dünger aus Ställen in die Feldfrüchte gelangen.
Diese Art, der ganzen deutschen Bevölkerung ungefragt, das heißt ohne Einwilligung des einzelnen Betroffenen und oft ohne dessen Wissen industriell hergestellte oder gar aus Industrie- und Krankenhausabfällen recycelte Jodzusätze zu den in der "Natur" ohnehin enthaltenen Jodgehalten über lebensnotwendige Nahrungsmittel "einzuflößen", ist unzweifelhaft eine Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Artikel 2 (2) GG ist ein Freiheitsrecht, das dem Einzelnen zusteht. Es soll die Integrität seiner Person in deren gegebenem psychosomatischen Zustand vor allem auch vor staatlichen (behördlichen) Eingriffen schützen, wie es sie in unserer jüngeren Geschichte zuhauf gegeben hat. Daher soll und kann der Einzelne auch in freier Entscheidung darüber befinden, ob und inwieweit er das vom Staat zum allgemeinen Schutz organisierte Gesundheitswesen in Anspruch nehmen und seine körperliche Unversehrtheit durch individuelle ärztliche Beratung, Behandlung etwaiger Erkrankungen oder durch vorbeugende Maßnahmen schützen will. Heileingriffe, zu denen auch präventive Medikationen, also auch das Verabreichen von Jod zur Abwendung möglicher Jodmangel-Erkrankungen zählen, sind nach dem Kommentar zum GG von Maunz/Dürig im Regelfall (ausgenommen beispielsweise Impfungen beim Ausbruch ansteckender Seuchen) nur zulässig, wenn der Betroffene seine Einwilligung dazu erteilt. Dazu der Kommentar wörtlich:
"Dabei ist gar nicht zu bezweifeln, daß durch dieses Erfordernis der Einwilligung auch Heileingriffe aus ganz unvernünftigen Gründen (übertriebene Angst ... ) unterbleiben müssen. Aber wie jedes Freiheitsrecht enthält auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit das Recht auf objektiv falsche Entscheidungen. ..."
Die Jodzufuhr über die für jedermann lebensnotwendigen Nahrungsmittel ist gleichzeitig auch ein Verstoß gegen Strafvorschriften des StGB. Das dürfte und sollte auch der im BfR tätigen Ärzteschaft geläufig sein, zumal selbst das Klinische Wörterbuch "Pschyrembel" unter den Stichwörtern "Aufklärungspflicht", "Selbstbestimmungsrecht", "Einwilligung", "Körperverletzung" und anderen eindeutige Auskunft darüber gibt. Aus der 259. Auflage sollen als Beispiel hier nur die Eintragungen zum Stichwort "Körperverletzung" zitiert werden:
"... jeder (u. damit auch jeder zu diagn. u./od. therap. Zwecken erfolgende) Eingriff in die körperl. Integrität des lebenden Menschen; nach §§ 223 ff. StGB strafbar; nach § 228 StGB handelt indes nicht rechtswidrig, wer eine K. mit Einwilligung* des Betroffenen vornimmt ( ... ). Grundsätzlich ist somit jeder operative, pharmak.(ologische) und radiol. Eingriff zu diagn. u./od. therap. Zwecken einwilligungspflichtig. ...".
Es kann keinen Zweifel geben, die deutsche Jodprophylaxe ist verfassungswidrig und mit vielen Straftatbeständen verknüpft. Es gibt gar keinen anderen Weg, als dass die in Deutschland praktizierte Jodprophylaxe möglichst zügig auf eine verfassungsmäßige und straffreie Form umgestellt wird. Zu einer solchen Umstellung wären alle Beteiligten zu jenem Anteil verpflichtet, der ihnen bei der Einführung der rechtswidrigen Jodprophylaxe zugefallen ist. Dazu gehören sowohl das BfR als zum Beispiel auch das Gesundheits- und das Verbraucherschutzministerium sowie der Bundesrat.
Für Deutschland kann nur eine personenbezogene und indikations-gesteuerte Jodprophylaxe als medizinisch adäquate und verfassungs- sowie strafrechtlich einwandfreie Jodprophylaxe in Frage kommen. Wenn das BfR ohnehin Folgendes für erforderlich hält: "Durch kontrollierte Maßnahmen sollte deshalb sichergestellt werden, dass der Median der Jodausscheidung im Urin von Schulkindern und Erwachsenen den optimalen Bereich von 100 - 199 µg/L nicht überschreitet", dann dürfte es keine besondere Erschwernis bedeuten, dem Einzelnen anzubieten, eine für ihn notwendige Schilddrüsenunterstützung in Abstimmung mit ihm erst nach einer solchen Urinmessung und etwaigen anderen diagnostischen Abklärungen festzulegen. Dadurch könnten nicht nur Grundrechts- und Strafrechtsverletzungen vermieden werden, sondern auch gesundheitliche Schädigungen, wie sie durch die heute praktizierte Jodprophylaxe vor allem im Bereich der Überfunktion angerichtet werden..
Rastede, den 11. Dezember 2004
Konrad Ullrich
(Nähere Informationen unter: http://ulirast.bei.t-online.de/jodprophylaxe.htm )